„Die schreckliche Vorstellung, dass die Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe für ein Verbrechen absitzen müssen, das die Polizei fabriziert hat (durch Ausnutzen ihrer schwierigen Situation), ist unvereinbar mit unserem Grundbegriff von Gerechtigkeit.“
(Catherine Bruce, Richterin in Kanada in der Urteilsbegründung)
(Die folgenden Angaben stammen zu 90% aus dem Urteil und zu 10% aus kanadischen Medien)
MEHR ZWEIFEL
Und wieder bat John Nuttall darum, einen Islam-Gelehrten für ihn zu finden, der ihnen den richtigen Weg weisen könne (ist es wirklich der Wille Allahs, unschuldige Menschen zu töten? Würde er dafür nicht in die Hölle kommen? „Seine Seele verlieren“?
Nuttall (Bild) sagte zum UCO, (undercover (police)-officer, V-Mann der Polizei) man könne doch die Raketen ohne Sprengköpfe losschicken, also nur als politisches Symbol des Widerstandes. Doch der UCO erinnerte ihn daran, dass das Töten von Menschen zum Plan dazu gehörte. Nuttall antwortete, Soldaten könne man töten, aber die „recon“ (Ausforschung des späteren Tatortes in Victoria) würde dabei helfen, dass keine Unschuldigen durch die Raketen zu Schaden kommen.
Dann sagte er, sie hätten seit zwei Tagen nichts gegessen, weil sie kein Geld mehr hatten (worauf ihm der Polizist 200 Dollar für Einkäufe gab).
Später betonte er noch, die Ungerechtigkeit der kanadischen Regierung gegenüber Muslimen liege ihm am Herzen, mache ihm zu schaffen. Daraufhin der UCO: die beiden sollten daran glauben, dass Allah sie dazu bringen wolle, Djihad zu begehen und dass es passieren werde, auch wenn der Rest der Welt dagegen sei.
Damit gab ein police officer zwei labilen, drogenabhängigen Menschen auf der Suche nach moralischer Orientierung, eine (scheinbar) religiöse Rechtfertigung für die Anwendung tödlicher Gewalt. Ihre – berechtigte – moralische Empörung wurde auf perfide Weise von „Sicherheitsorganen“ des Staates instrumentalisiert.
Ein Islam-Experte sagte später dazu, der UCO hatte die Statements von Osama Bin Laden (in Afghanistan) dazu benutzt, Verse aus dem Koran aus dem Kontext zu nehmen, um gewalttätigen Extremismus zu fördern.
Die Richterin schreibt weiter: während dieser Reise hätte die Polizei erkennen müssen, dass Nuttall die Gutgläubigkeit eines kleinen Kindes hatte. Er sagte dem UCO, seine Ideen zum „Jihad“ habe er aus dem Film „Rambo III“.
Nach dem Victoria-Trip trafen die beiden „Extremisten“ den UCO erst wieder am 31. Mai 2013.
Der Polizei-Chef fing schon damit an, die Presse-Konferenz zu planen, bei der der „Fahndungserfolg“ bekanntgegeben werden sollte: am 1. Juli 2013. Also musste die Verhaftung spätestens Ende Juni über die Bühne gehen. Und das, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch immer keinen konkreten Plan für einen Anschlag gab
Am 6. Juni 2013 zeigte Nuttall dem UCO ein handgemaltes Diagram einer Rakete und eine Skizze einer selbst-gebastelten Bombe. Diese Anleitungen hatte er aus einem Artikel des „Inspire“-Magazins, das angeblich von „Al Kaida“ im Internet publiziert wurde.
Aber er träumte immer noch von seiner Qassam-Rakete für die Palästinenser und betrachtete die Kochtopf-Bombe nur als Übung. Doch die Polizei (RCMP) überzeugte ihn davon, dass der einzig machbare Plan, eine selbst-gebaute Nagelbombe war. Nuttall glaubte außerdem, diese Bombe würde nie zum Einsatz kommen, sie wollten nur seine Fähigkeiten damit testen. Der UCO versprach ihm, C 4 (militärischen Sprengstoff) zu besorgen. Schließlich überredete man die beiden, ihre Wohnung zu verlassen, damit sie sich völlig auf den „Terror-Plan“ konzentrieren konnten. In der Zwischenzeit montierte die Polizei versteckte Kameras und (noch mehr) Mikrofone.
DIE POLIZEI LÜGT
Die Polizei sagte später, man habe die Kochtopf-Bombe gewählt, weil es zu lange gedauert hätte, Nuttall dazu zu bringen, eine Rakete zu bauen (Die under-cover-show wäre sonst aufgeflogen) und damit er aus dem Verkehr gezogen werden konnte. Doch die Richterin weist das als unglaubwürdig zurück:
„Es gab keinerlei Indizien dafür, dass Nuttall überhaupt fähig war, eine Rakete zu bauen, dass er das Geld und die nötige Ausrüstung dafür hatte oder dass er irgendwelche Schritte unternommen hatte, sich diese zu besorgen. Außerdem gab es keine Hinweise darauf, dass es irgendwelche anderen nicht-polizeilichen Terroristen gab, die nur darauf warteten, den Angeklagten dabei zu assistieren. Der Raketen-Plan war absurd, es bestand keinerlei Risiko für die Öffentlichkeit, also hatte die Polizei keinen Grund, Nuttell ein (durchaus) machbares Terror-Komplott einzureden.“
First, up to this point in the project there was NO EVIDENCE that Mr. Nuttall was capable of constructing a rocket. Second, there was NO EVIDENCE he had the money or the equipment necessary to construct a rocket or that he had taken any steps to acquire any such equipment. Third, there was NO indication THAT THERE WERE ANY OTHER NON-POLICE TERRORISTS waiting to provide assistance to the defendants. As the sergeant had already concluded, the rocket plan was neither feasible nor attainable; there was no risk to public safety that required the police to redirect him towards a viable terrorist plot.
Der UCO versicherte Nuttall, man werde einen sicheren Ort für sie finden, wo sie ihre Bomben bauen und testen könnten.
Am 16. Juni wurden sie vom UCO abgeholt und nach Kelowna gefahren und dort in einem Hotel untergebracht. Sie waren bereit, mitzufahren, ohne vorher zu wissen, wohin die Fahrt gehen würde (das zeigt, wie vertrauensselig beide waren).
Man sagte ihnen, ein „Sicherheitsexperte“ der radikalen Islamisten-Organisation haben die dortige Internet-Verbindung verschlüsselt. Zwei verdeckt operierende Polizisten (die sich auch als Mitglieder dieser Gruppe ausgaben) bearbeiteten sie nochmals, den Bomben-Plan zu akzeptieren und alles andere zu vergessen. Das C 4 würden sie vom UCO bekommen.
Doch auch diese Aktion brachte nicht den gewünschten Erfolg. Die beiden spielten lieber Video-Spiele als sich der „Terror-Mission“ zu widmen. Der UCO wies sie scharf zurecht und erst dann (unter Druck) fingen sie an in den frühen Morgenstunden „Recherchen“ im Internet zu machen. Nuttall wurde gesagt, er solle die Anweisungen befolgen und nicht so viel fragen. Doch beide fühlten sich bedrängt, hatten das Gefühl, übereilt zu handeln. Dann arbeitete der UCO und ein zweiter under-cover-Polizist zusammen, um ihr Verhalten durch Psycho-Tricks noch mehr zu steuern und ihren inneren Widerstand gegen diesen Bombenanschlag zu brechen.
Trotzdem hatten die beiden bis zum Abend des 18. Juni nichts Verwertbares zustandegebracht, wie das Video-Monitoring zeigte.
Ein abgehörtes Gespräch zwischen Nuttall und seiner Frau zeigte, dass beide mittlerweile Angst hatten, getötet zu werden, wenn sie nicht taten, was der UCO von ihnen verlangte. Dass sie trotzdem keinen Plan verfassen konnten, zeigt wie unfähig beide dazu waren (sie rauchten die meiste Zeit Cannabis um sich zu beruhigen).
In der folgenden Nacht zeigten beide neuerlich große Bedenken wegen der unschuldigen Frauen und Kinder, die durch eine Bombe getroffen würden. Das war in den abgehörten Gesprächen deutlich zu hören. Die beiden undercover-Polizisten versicherten ihnen, sie sollten sich keine Sorgen deswegen machen.
NOCH IMMER KEINE BOMBE … (und die Pressekonferenz ist schon geplant)
Als sie wieder zuhause waren, (21. Juni) machten sie keinerlei Anstalten, sich Bombenmaterial zu kaufen, obwohl sie etwas Geld übrig hatten. Am 21. Juni fragte Sergeant Kalkat die Rechtsberaterin der Polizei (RCMP), ob man ihnen Geld dafür geben solle oder nicht. Die Antwort war negativ, das käme einer Anstiftung schon sehr nahe. Stattdessen solle die Polizei „die Konversation stimulieren“, die die beiden hatten, wenn sie alleine waren. Es handle sich hier um eine sehr schwierige Situation, denn „wir haben hier eine Person, die ohne die Hlfe der Polizei gar nichts tun kann“ (!)
Doch der UCO versorgte sie mit Lebensmitteln und Zigaretten (in der Hoffnung, die frei gewordenen Finanzmittel würden für den Bombenbau eingesetzt).
Am 24. Juni hatten die beiden „Täter“ noch immer nichts unternommen, um den Bomben-Plan umzusetzen. Da griff die Polizei erneut ein und transportierte beide per Auto zu den Geschäften, wo sie das Material für die Bombe kaufen konnten. Damit nicht genug, erstellte die Polizei eine Liste der Läden, wo diese am günstigsten erhältlich waren.
Auch dann hatte Nuttall noch Probleme, den Auftrag auszuführen: er brauchte Stunden wofür ein Polizist (als Test) 30 Minuten gebraucht hatte und vergaß immer wieder, was er schon gekauft hatte und was er noch brauchte. Er war auch außerstande, einen Druck-Kochtopf mit Metalldeckel zu finden und wollte deshalb eine Rohrbombe basteln. Davon brachte ihn aber der UCO wieder ab und zeigte ihm, wo es den notwendigen Topf mit Metalldeckel gab.
Inzwischen wurde Druck gemacht, der Plan müsse bald fertig sein, denn der Ramadan stand bevor und der UCO sagte, er käme danach wahrscheinlich nicht mehr nach Canada zurück. Dazu schreibt die Richterin:
„Der UCO arrangierte dieses Datum durch die Drohung, dass andernfalls keine Unterstützung von seiner Organisation zu erwarten sei. Außerdem räumte er alle Hindernisse aus dem Weg, die Nuttall angeführt hatte:
- er werde sich um Waffen und Sprengstoff „kümmern“ (C 4)
- er fuhr sie mit dem Wagen zu den Geschäften, wo sie das Material kaufen konnten
- er gab ihnen das Werkzeug zum Bombenbau
- er sorgte für einen Unterschlupf für den Bombenbau
- er brachte sie nach Viktoria, damit sie die „Location“ ausforschen konnten, wo die Bomben explodieren sollten
- und – er sagte ihnen, er werde alles tun, damit sie danach am Leben bleiben, es sei kein „Selbstmord-Attentat“ geplant
Der UCO versicherte den beiden „Tätern“, er habe einen Fluchtplan ausgearbeitet, bei dem sie gefälschte Pässe bekommen würden. Es gäbe sogar einen Privat-Jet, der sie außer Landes bringen könnte. Beide wollten nicht sterben, keine „Märtyrer“ sein, doch sie glaubten mittlerweile der UCO sei ein Mitglied von „Al Kaida“ und hatten große Angst vor ihm.
Die seelische Verfassung und Denkfähigkeit der beiden wurde natürlich auch durch den Konsum von Methadon und Cannabis beeinflusst. Wie die Richterin feststellt, wirkten die beiden in den Überwachungs-Videos häufig wie „benommen“. (Hat man ihnen noch etwas gegeben? Das ist die Frage. Das Methdon bekamen sie in flüssiger Form als „Zubereitung“ in einer Flasche, nicht in Tablettenform).
Sie wurden weiter dazu gedrängt, die „Bombe“ weiterzubauen und sich dabei an einen strikten Zeitplan zu halten. Doch beide waren dazu nicht in der Lage. Nuttall brauchte extrem lange dafür, allein die Nägel in den Druckkochtopf zu kleben und war aufgeregt, weil er große Mühe damit hatte, die Zeitschaltuhren zu basteln. Beide hatten Angst davor, getötet zu werden, wenn sie die Aufträge des UCO nicht erfüllten.
DIE IS-FLAGGE BESORGT AUCH DIE POLIZEI
Schließlich drängte sie der UCO noch dazu, ein „Bekenner-Video“ zu machen, was Nuttall aber nur sehr widerwillig tat. Die schwarze „IS-Flagge“, die man darauf sieht, hat ein weiterer Undercover-Polizist mitgebracht, weil sie selbst keine fabriziert hatten. Dazu die Richterin:
„A third undercover officer, posing as a video expert, arrived with a black jihadist flag that the defendants were originally to have made. They did not take any steps towards making the flag and thus the police supplied it for them.
Leute, wenn ihr also das nächste Mal eine solche Flagge als „Beweis“ für den IS seht, denkt an diese Geschichte …!
Die beiden hatten ABSOLUT NICHTS MIT „IS“ ZU TUN ….sie wurden nur als TERROR-STATISTEN missbraucht.
In der Nacht vom 29. Juni 2013 nahm der UCO die für den Bombeneinsatz preparierten Kochtöpfe mit und die Polizei stellte zwei Taschen dafür zur Verfügung. Der dritte wurde in einen schwarzen Müllsack getan. Die „Täter“ hatten sich keine Gedanken darüber gemacht, worin sie die „Bomben“ (ohne funktionsfähigen Zünder) transportieren würden.
Die Sprengstoff-Experten der Polizei fügten dann 1 Gramm echtes C4 in die Kochtöpfe, das von einer harmlosen Masse umhüllt war (die aber so aussah wie C4). Die Polizei testete, ob der Zeitschalter funktionierte und korrigierte die Drahtverbindung zu den Batterien. Dann wurden die „Bomben“ von Polizisten mit der Fähre nach Viktoria gebracht.
Der UCO bezahlte am 1. Juli 2013 100 Dollar für die Überfahrt der beiden „Täter“ (die sie selbst nicht hatten) und sagte ihnen, er habe das C4 beschafft und sorge dafür, dass es „sicher“ an den Zielort gelangen wird. Die Richterin hält fest, dass es Nuttall ohne Hilfe der Polizei nie gelungen wäre, diesen Sprengstoff zu besorgen.
Auf der Überfahrt erklärte der UCO, er habe dafür gesorgt, dass die Security-Guards vor dem Parlamentsgebäude (Bild) „kein Problem“ sein würden. Nuttall war bis zuletzt besorgt, ob das alles wirklich von Allah gewollt sei, doch der UCU sagte, er solle sich keine Sorgen machen.
Dazu schreibt die Richterin weiter: „Mr. Nuttall said he was not doing the mission to kill innocent people but to change the way the world attacked Muslims.
Inzwischen arbeiteten dutzende Polizisten auf Vancouver Island daran, die verdeckte Operation ihrem ruhmreichen Ende zuzuführen: der Verhaftung der „Terror-Zelle“.
Nachdem die „Bomben“ hinter Büschen versteckt waren, bezahlte der UCO nochmals die Überfahrt auf das Festland (mit der Fähre) und ließ sie einem Hotel zurück, wo sie dann kurze Zeit später verhaftet wurden. Die „Sting-Operation“ war beendet. Die Polizei konnte sich als erfolgreiche „Anti-Terror“ Brigade der Presse präsentieren.
Im anschließenden Prozess wurden die beiden an der Nase herumgeführten „Terroristen“ 2013 zu lebenslanger Haft verurteilt, aber vor drei Wochen entlassen. (wie das passierte – siehe Teil 1)
Sie wurden kurze Zeit später aber wieder festgenommen (ohne rechtsstaatliche Grundlage, dank den „Anti-Terror-Gesetzen“) und nur gegen Kaution und spezielle Auflagen entlassen. Hat das noch etwas mit einem „Rechtsstaat“ zu tun????
Und auch die „Radikalisierung“ der beiden dürfte nicht ohne Zutun des Geheimdienstes (CSIS) passiert sein.
Der ganze Terror-Scare ist also ein perfides Theaterstück … eine politische Farce, deren negative Folgen für Demokratie und Rechtsstaat allerdings sehr real sind.
UNTER VERDACHT: SIND WIR DIE NÄCHSTEN?
Diese speziellen Polizei-Methoden können auch gegen unerwünschten politischen Widerstand eingesetzt werden, das sollte uns klar sein:
Demo gegen Ramstein? Engagement gegen die NATO? Gegen amerikanische Militärbasen in Deutschland? Öffentliche „Stimmungsmache“ gegen TTIP? Protest gegen die Verbrechen Israels?
Und dann taucht plötzlich die Polizei auf und nimmt uns eines Tages fest. Die „Beweise“ für unsere Gefährlichkeit können dank Anti-Terror-Gesetzen kaum überprüfbar sein (wie oben geschildert).
Der Namen eines geheimdienstlichen Informanten, der behauptet, wir seien ein „Sicherheitsrisiko“, kann leider nicht bekanntgegeben werden. Wir kommen auf eine Liste „gefährlicher“ Personen usw. Politischer Widerstand wird so zur „Gefahr“ für die Sicherheit. „Stasi 2.0“ feiert ein perfides Comeback.
Ist das zu pessimistisch gedacht?
In Frankreich wurden Leute, die gegen Israels Verbrechen demonstrieren, bereits als „gefährlich“ eingestuft.
Massive Proteste gegen das letzte Massaker in Gaza (2014) wurden von der französischen Regierung gestoppt (für illegal erklärt). Die BDS-Bewegung (die zum Boykott gegen den israelischen Staat aufruft) wird in Frankreich mittlerweile wie eine kriminelle Vereinigung behandelt, ihre Mitglieder müssen sich wegen „Anti-Semitismus“ vor Gericht verantworten.
Die paramilitärische „Jewish Defense League“, die israel-kritische Zeitgenossen einschüchtert und sie mundtot machen will, scheint aber für die französische Regierung kein Problem zu sein (siehe dazu die Doku von Max Blumenthal: Je ne suis pas Charlie (ab 32:00):
Als ihre Provokateure eine friedliche Demonstration für die Rechte der Palästinenser aufmischen, kommt es zu Ausschreitungen auf der Straße (in der Nähe einer Synagoge) und die Polizei greift ein.
Wie endet das ganze? Die pro-palästinensiche Gruppe wird wegen „Angriff auf eine Synagoge“ medial verurteilt, während die Provokateure sich als Verteidiger der „jüdischen Gemeinde“ präsentieren. Die französische Regierung nimmt diesen Vorfall zum Anlass, alle Soldiaritäts-Kundgebungen für die Palästinenser zu verbieten.
Als die Palästina-Aktivisten trotzdem eine Protestkundgebung für Gaza abhalten, kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die das verhindern will. Resultat? Franzosen (darunter auch junge Männer arabischer Abstammung, die in ghettoisierten Armenvierteln leben), die für Freiheit und Gerechtigkeit demonstrieren, werden vor Gericht gestellt und gelten jetzt als vorbestraft.
Der französische Staat benutzt also das Stigma des „Anti-Semitismus“, um junge, arabisch-stämmige Männer, die sich gegen ein ungerechtes System auflehnen, (gegen die Verbrechen Frankreichs und Israels), mundtot zu machen. Aber auch linke Protestgruppen werden dadurch politisch „neutralisiert“.
(Und dann stellt sich Präsident Hollande auch noch hin und empört sich theatralisch über den „Anschlag auf die Redefreiheit“ nach dem Attentat auf Charlie Hebdo… das ist wie eine Verhöhnung der Demonstranten. Dass sich junge, arabische Männer dann von falschen „Islamisten“ (die auch für die Geheimdienste arbeiten) ködern lassen, ist kein Wunder, aber auch das ist durchaus so gewollt … Der rechtliche Ausnahmezustand in Frankreich wurde ja noch immer nicht aufgehoben, womit die Polizei immer mehr die Rolle einer Gestapo bekommt …)
So sieht also der „Rechtsstaat“ heute in Europa aus. Wer sich für Gerechtigkeit engagiert, muss damit rechnen, wie ein Krimineller, wie eine „Bedrohung“ der Sicherheit behandelt zu werden.
Dass bei vielen Demos deshalb „Vermummte“ auftauchen, die Gewalt anwenden und einen Zusammenstoß mit der Polizei provozieren, darf niemand mehr verwundern. Ihre Aufgabe ist es, den politischen Widerstand zu diskreditieren und – wenn es so weitergeht – auch zu kriminalisieren.
Die aktuell von Thomas de Maiziére geforderte „Gesichtserkennung“ durch spezielle Kameras an Bahnhofen und Flughäfen ist der nächste Schritt in den rechtstaatlichen Abgrund (und kann Terror-Anschläge natürlich nicht verhindern).
Wo bleibt die Empörung des Volkes?
ANHANG (Die neue GESTAPO?)
Wichtige Erkenntnisse aus dem Urteil der Richterin Catherine Bruce, (die man auch zum Verständnis der „NSU-Affäre“ brauchen kann …)
Beharrlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Polizeimethoden:
„Die Manipulation der Angeklagten durch die Polizei beschränkte sich nicht nur darauf, Angst zu schüren, religiösen Rat zu erteilen der Gewalt legitimierte und soziale Isolation zu fördern. Sie hat sie auch zu dem terroristischen Akt angestiftet und ihn selbst eingefädelt. Die Anstrengungen der Polizei waren hartnäckig, aufdringlich und standen in keinem Verhältnis zu dem, was die Angeklagten selbst zum Anschlags-Plan beitrugen.
Die Polizei zeigte ihre Hartnäckigkeit durch wiederholte Bemühungen, Mr. Nuttall so weit zu bringen, dass er einen terroristischen Plan schmieden und ausführen konnte.
Die Unverhältnismäßigkeit der polizeilichen Rolle bei der Erstellung des Bomben-Plans zeigte, dass sie damit gescheitert waren, ihn in eine solche Person zu verwandeln. Was die Polizei tun musste, um dieses Ziel zu erreichen, kommt einer Straftat gleich.“
Die RCMP hat wissentlich
- die Schwachpunkte der Angeklagten ausgenutzt, um sie zur Ausführung von Straftaten zu bewegen. Sie verwendeten dafür ein umfangreiches Spektrum aus manipulativen Tricks, Täuschung und Belohnung
- die soziale Isolation der Angeklagten und ihr Vertrauen zum UCO ausgenutzt, ebenso wie ihre Suche nach spiritueller Orientierung
- durch List und Tücke den Angeklagten Angst gemacht, man würde sie umbringen, wenn sie die Erwartungen der (vermeintlichen) Terror-Organisation im Hintergrund nicht erfüllen
- die moralischen Zweifel und die daraus erwachsene Suche nach geistlichem Beistand abgeblockt und die Angeklagten in die Irre geführt, was die Interpretation des Korans zum Thema Gewalt gegen Unschuldige betrifft
- Der Anteil der Polizei an der Straftat war überwältigend im Vergleich zu dem unscheinbaren Beitrag der Angeklagten, die ohne deren ständige Lenkung und deren beharrliches Drängen nie so weit gekommen wären.
- Die Polizei war der Anführer des Komplotts, nicht die Angeklagten. Sie entschied, einen Plan auf die Beine zustellen und die Angeklagten dazu zu bringen, diesen als ihren eigenen zu akzeptieren
„Auch wenn man einräumt, dass bei Terror-Delikten der Einsatz von undercover-Polizisten (UCOs) notwendig ist, so muss der Trick, als scheinbarer Terrorist aufzutreten, in diesem besonderen Fall doch als ungeheuerlich bewertet werden. Es gab keine Notwendigkeit für den Einsatz solcher Methoden, denn es bestand kein akutes Risiko für die öffentliche Sicherheit. Die Polizei verstand durchaus, dass ohne ständige Manipulation und Lenkung durch den UCO, die Angeklagten nie einen realisierbaren Plan zustandegebracht hätten.
Die Tatsache, dass die Polizei solche enormen Anstrengungen unternahm, um alle Barrieren für eine Terror-Mission zu eliminieren, führt alle Behauptungen, die beiden seien ein Sicherheitsrikiso gewesen, ad absurdum.
Es muss ausdrücklich betont werden, dass es sich hier NICHT um einen Fall handelt, in dem die RCMP von einem bereits vorhandenen Plan für einen Terror-Anschlag erfuhr, in dem die Angeklagten in Kontakt mit bekannten Terroristen standen oder dass sie über Fähigkeiten verfügten, die für einen Anschlag wertvoll gewesen wären.“
[…] Die Polizei hat nicht nur die Gelegenheit zur Ausübung eines Verbrechens geliefert, sondern kriminelles Verhalten fabriziert:
Die Integrität des Rechtssystems wurde kompromitiert, weil das ganze Strafverfahren nur durch das kriminelle Verhalten der Polizei zustandekam. Die Verhaftung der Angeklagten war nicht Folge eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens, sondern rechtswidriger Handlungen der Polizei im Zuge der Undercover-Operation.
Daher wird das Strafverfahren (inklusive Vollzug) ausgesetzt, weil ansonsten das Rechtssystem noch mehr Schaden nehmen würde.
DAS „RECHT“ (WEGEN TERROR-GEFAHR) IM AUSNAHMEZUSTAND`?
Der Staat muss seine Strafverfolgung so exekutieren, dass dabei Grundsätze von „fair play“ und Anständigkeit nicht verletzt werden. Er darf nicht das Leben von Verdächtigen ohne Beschränkung manipulieren und ihre tägliche Existenz in ein Theaterstück verwandeln, in dem sie ohne es zu wissen, eine Rolle spielen. (Zitat aus einem anderen Urteil, das die Richterin verwendet)
Das Gericht muss nicht nur die Handlungen der Polizei untersuchen, sondern auch deren Auswirkung auf die Angeklagten, die in diesem Fall besonders verheerend war. Die Polizei hat die Angeklagten auf eine Weise manipuliert, die unfair, unnötig und unverhältnismäßig war, um das gewünschte Ziel zu erreichen (eine Verhaftung).
Während der viermonatigen Undercover-Operation zeigten die Angeklagten deutlich, dass ihre Äußerungen zum Djihad sich in großen Sprüchen und Möchte-Gern-Draufgängertum erschöpften und sie nicht die nötige Motivation aufbrachten, sie in die Tat umzusetzen. Sie hatten weder das nötige Geld, das nötige Wissen noch die mentale Kapazität, so ein Verbrechen zu planen und durchzuführen.
Es gab auch niemand in ihrer Umgebung – außer der Polizei – der ihnen dabei geholfen hätte und sie suchten auch nicht nach solcher Unterstützung. Die Überwachung ergab, dass die beiden keine Gefahr für die Sicherheit darstellten. Sie waren die meiste Zeit in ihrer Wohnung, bewegten sich nie weiter als vier Blocks davon entfernt (zum Einkaufen) und waren spätestens um 19 Uhr wieder zuhause. Sie hatten weder Führerschein, Auto noch einen Reisepass und gerade genug Geld für Miete und Essen.
Die Polizei war frustriert, weil die Operation sich wochenlang dahinzog, ohne wirkliche Fortschritte – eben weil die Motivation der beiden “Verdächtigen” viel zu gering war und ihre moralischen Skrupel wirkten zusätzlich als Hemmung. Da half nur noch eines: die Polizei musste das Verbrechen selbst in die Wege leiten.
Die Manipulation von labilen Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, um sie zu einer kriminellen Handlung zu bewegen, die sie ohne enorme Unterstützung der Polizei nie begehen könnten, ist ein Missbrauch des Exekutivgewalt und ein Anschlag auf den Rechtsstaat.
Die Angeklagten sprachen davon, einen Terror-Anschlag begehen zu wollen, um sich für das begangene Unrecht an Muslimen zu rächen und sie wurden dafür von den Geschworenen verurteilt. Aber – es war die Polizei, die sie dazu brachte, diese Rachegedanken in die Tat umzusetzen und die ihnen die Möglichkeit gab, eine kleine Rolle bei der Durchführung eines Anschlags zu spielen (Nägel einkleben und Zeituhr basteln, der Sprengstoff kam von der Polizei selbst)
Hier handelte es sich nicht um zwei ausgekochte Verbrecher, denen die Polizei mit außergewöhnlichen Methoden beikommen musste, sondern um zwei gescheiterte Existenzen mit eingeschränkten mentalen Fähigkeiten auf der Suche nach spiritueller Anleitung.
Die Argumentation der Polizei, bei Terror-Verdacht müsse die Polizei auch extreme Maßnahmen einsetzen dürfen, um die Bevölkerung zu schützen, klingt daher wenig überzeugend und in diesem Fall ist sie völlig inakzeptabel.
Originaltext / Auszüge in Englisch:
[775] This is truly a case where the RCMP manufactured the crime; this is not a situation where the police simply “instigated, originated or brought about” the offence.
The police took two people who held terrorist beliefs but no apparent capacity or means to plan, act on or carry through with their religiously motivated objectives and they counselled, directed, urged, instructed and moulded them into people who could, with significant and continuous supervision and direction by the police, play a small role in a terrorist offence. The police did not first identify the idea of exploding pressure cookers; however, Mr. Nuttall regarded this device as a tester and the closest he got to an explosive substance for this test was talk about using cow manure to make an explosive substance. Mr. Nuttall never brought up pressure cookers after the June 6 scenario. The police seized on this idea and it became their plan.
… And this is what the police had to do, not for public safety, but to bring the undercover operation to a conclusion with an arrest for terrorism offences. Manipulating, cajoling, instructing, instilling fear, offering friendship, offering reward, offering religious guidance, throughout the operation, the police led the defendants to this endgame.
…. It is enough to conclude that, in the particular circumstances of this case, the manufacture of the crime by the police amounted to entrapment.
I therefore enter a stay of proceedings on Counts 1 and 4 of the Indictment and an unconditional stay on Count 2 based on a finding of entrapment
CONCLUSION
In this case, the actions of the police threaten fundamental beliefs our society holds about human dignity and fairness. There must be a balance between the need to protect the public from crime and what is tolerable police conduct in a free and democratic society.
There is clearly a need to curtail the actions of the police in a prospective sense to ensure that future undercover investigations do not follow the same path. Moreover, to permit the defendants’ conviction to stand in the face of this kind of police misconduct would be offensive and would cause irreparable damage to the integrity of the justice system.